Genießen und Gutes tun
Guter Stollen gehört zu Weihnachten wie das Amen zur Kirche. Wenn einem der Duft in die Nase steigt, „dann muss ein Gefühl von Weihnachten im Kopf entstehen,“ sagt Sylvia Schatz-Seidel. Doch was macht guten Stollen eigentlich aus? Am Sonntag, 3. Dezember, stellen sich die Bayreuther Bäcker der Prüfung. Und das erstmals wieder öffentlich.
Manfred Stiefel ist derjenige, der die Backwerke unter die Lupe, besser gesagt unter die Nase nehmen wird, denn er beurteilt die Stollen nicht nur nach Form und Kruste, sondern vor allem nach Geruch, Geschmack und Beschaffenheit. Bereits bei geringen Abweichungen von den Idealforderungen, wie sie das Institut für Qualitätssicherung im Bäckerhandwerk (IQB) aufgestellt hat, gibt es nicht die maximale Punktzahl von 100. Innungsmeister Michael Rindfleisch erinnert sich: „Vor ein paar Jahren hatte ich einmal zu wenig Puderzucker draufgestreut. Da hieß es: Punktabzug, schludrig gezuckert.“ 100 Punkte zu erreichen, ist wichtig, denn nur dann gibt es ein „sehr gut“ in der Beurteilung. Erst wenn das in drei Jahren hintereinander erreicht wurde, wartet die Goldmedaille auf den ausgezeichneten Stollen. Ein Prädikat, das sich die Bäcker nur zu gerne ans Revers beziehungsweise in den Laden heften.
Dorthin zu gelangen, ist nicht einfach. Im Gespräch mit den Bäckern Thomas Zimmer, Sylvia Schatz-Seidel, Michael Zollinger und Innungsmeister Michael Rindfleisch zeigt sich, dass es nicht einfach ist, das für Weihnachten so typische Gebäck zu fertigen. Und dass die Meinungen auch unter Fachleuten auseinandergehen. Stollen ist im Prinzip ein brotförmiger Kuchen aus schwerem Hefe-Feinteig. Die Zutaten machen dann den Unterschied, ob es später der eher leichte Quarkstollen sein wird oder ein Butterstollen mit einem Anteil von 45 Prozent Butter im Teig.
Während Alexandra Zimmer von der Bäckerei-Konditorei Lang gerne mit sehr ausgefallenen Varianten experimentiert – bei ihr gibt es beispielsweise den „Ladykracher“ mit Schokostückchen oder einen Whisky-Stollen mit gerösteten Kürbiskernen – bäckt Konditormeister Michael Zollinger gerne kleinere Stollen. Und auch ganz anders als seine Kollegen. Nüsse, Orangeat und Gewürze werden bei ihm vor dem Backen mit Buttermilch gemischt. Und dann müssen reichlich Rosinen in den Teig. „Die sind das Frischhaltemittel für den Stollen.“ Allerdings müsse man die Rosinen vorher waschen und in Rum einlegen. Für Michael Rindfleisch von Fuhrmanns Backparadies ist die Frage, was einen guten Stollen ausmacht, schnell beantwortet: „Nach guter Butter muss er duften und vor allem schön saftig sein.“
So unterschiedlich wie die Stollen gebacken werden, so unterschiedlich ist auch das Kundenverhalten. Alexandra Zimmer: „Damit er sein volles Aroma entwickelt und ein homogenes Geschmackserlebnis entsteht, muss ein Stollen abgelagert werden.“ Ihr Mann ergänzt: „Manche Kunden heben ihre Stollen bis Ostern auf und haben dann den optimalen Genuss.“
Immer wieder gebe es auch Kunden, die den eigenen Teig zum Backen bringen, sagt Sylvia Schatz-Seidel von den Geseeser Landbäckern. Manche erinnern sich an die Rezepte ihrer Großeltern und wollen sie nachbacken. „Früher sind die Leute mit wannenweise Teig zum Bäcker gekommen.“ Das sei heute nicht mehr so. Doch eine gewisse Renaissance und das Anknüpfen an alte Traditionen könne man schon erkennen, meint Alexandra Zimmer. „Junge Leute essen aber keinen Stollen,“ davon ist Michael Zollinger überzeugt.
Wer die Vielfalt testen möchte: Am Sonntag, 3. Dezember, ab 13 Uhr werden die verschiedenen Stollen in der Maxpassage neben dem Café Rossi zur Prüfung aufgestellt. Michael Rindfleisch schätzt, dass rund 25 verschiedene Stollensorten zur Beurteilung angemeldet werden. „In guten Zeiten waren es schon mal bis zu 30.“ Doch in der Corona-Zeit musste die Prüfung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Und jetzt muss alles erst wieder richtig anlaufen. Die beteiligten Bäcker wollen darüber hinaus einen Rekord, den sie im Jahr 2009 aufgestellt haben, als sie einen fünf Meter langen Stollen aufgebaut hatten, brechen. „Wir werden in der Passage den längsten Stollen Oberfrankens haben,“ davon ist Thomas Zimmer überzeugt. „Sechs bis sieben Meter lang wird er bestimmt sein.“ Stück für Stück wird er dann verkauft und der Erlös geht an die Kurier-Stiftung „Menschen in Not“. Die Bäcker wollen damit das Projekt Lebensmittelgutscheine für Senioren unterstützen.
Vielen Dank für diese – im wahrsten Sinn des Wortes – köstliche Unterstützung!