Sommerfeldt
Unermüdlich ist er für Menschen am Rande der Gesellschaft im Einsatz. Diakon Volker Sommerfeldt lebt das, was er tut, nach dem urchristlichen Grundsatz: Gott will keine Armen. Vor Sommerfeldts Schaltzentrale, dem Café der Stadtmission, wurde jetzt der Car-Sharing-Bus, gestiftet von der Kurier-Stiftung „Menschen in Not“ und unterstützt vom Rotary-Club, offiziell in Betrieb genommen.
Frühmorgens um 9 Uhr herrscht reger Betrieb im großen Café in der Sophienstraße. Es herrscht stetes Kommen und Gehen. Der eine will nur schnell einen Kaffee trinken, andere wollen reden oder Leute treffen. „Wir sind hier auch gut im Kampf gegen die Einsamkeit“, sagt Sommerfeldt.
Immer wieder wird er angesprochen. Für Franz wird ein Paket abgegeben, Roland muss ihn später mal unter vier Augen sprechen und Viktor freut sich auf sein Frühstück. Viktor, dessen Alkoholfahne bereits um diese Zeit deutlich wahrnehmbar ist. „Mit ihm habe ich lange und viel reden müssen,“ sagt Sommerfeldt. „Jetzt ist er bereit für die Therapie.“ Darauf ist Sommerfeldt auch stolz. Stolz, dass es ihm in den vielen Jahren, die er im Auftrag der Landeskirchlichen Gemeinschaft (LKG) als einzig fest Angestellter das Café-Projekt betreut, bereits unzählige Menschen von der Straße geholt hat, auch Menschen, die das Job-Center längst aufgegeben hat. „Wir haben viele wieder auf die Beine gestellt.“
Sein Prinzip: „Man muss den Leuten Tagesstruktur geben, ihnen zeigen, dass sie gebraucht werden.“ Das ist die niederschwellige Hilfe, die Sommerfeldt hier anbietet in einem offenen Café, in das jeder kommen kann, dem der Sinn danach steht. Wer regelmäßig kommt, wird auch gefragt, ob er helfen kann. Entweder beim Abholen von gespendeten Lebensmitteln, wie Mathilde, oder beim Fahren des neuen Car-Sharing-Busses, den die Kurier-Stiftung „Menschen in Not“ für 8.000 Euro angeschafft hat. Unterstützt vom Rotary-Club, der rund 6.000 Euro bereitstellt, damit das Fahrzeug betankt und versichert werden kann. „Wir dürfen nicht auf den Staat warten. Wir müssen selbst aktiv werden,“ nach diesem Grundsatz lebt Sommerfeldt.
Zahlen muss niemand, der das Café besucht. Aber man freut sich über Spenden. Eine Spendenbox hängt deutlich sichtbar neben dem Tresen. „Jeder gibt das, was er kann.“ Salz steht auf dem schwarzen T-Shirt von Sommerfeldt. Die Botschaft ist einfach: Salz konserviert. „Wir helfen mit, unsere Gesellschaft vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren.“ Das andere T-Shirt, das bei ihm im Schrank hängt, trägt den Schriftzug: Freiheit. Gemeint ist die Freiheit, jeden so leben zu lassen, wie er möchte. „Damit grenzen wir uns auch ab von religiösen Bestrebungen, die uns die Freiheit nehmen wollen.“ Missionieren will Sommerfeldt, der schon so viel für seine Klientel erreicht hat, nicht. Vielleicht auch deshalb ist das Café in den vielen Jahren viel mehr geworden als ein Treffpunkt. Man vertraut Sommerfeldt. Eine Hausärztin im Ruhestand beispielsweise ist alle 14 Tage hier zu Besuch und hilft, ebenso eine Friseurin. Alles ehrenamtlich. „Wir machen das, wofür Bedarf ist.“
Die Geschichten, die er erzählen kann, sind schier unglaublich. Vermisste Personen wurden schon gesucht – „da haben wir alle im Café aktiviert, mitzuhelfen“ – und ein per Whatsapp angekündigter Mord vermutlich verhindert. Sommerfeldt fand den völlig verstörten Mann und brachte ihn persönlich ins Bezirkskrankenhaus.
Das Projekt finanziert sich über Spenden. Ausschließlich. „Jedes Jahr müssen 120.000 Euro da sein, um das alles am Leben zu erhalten“, erklärt er. Und viele helfen dabei. „Die Obdachlosenhilfe hat uns eine Edelstahlküche spendiert. Hier wird jeden Tag frisch gekocht.“ Auch beim Frühstück gibt es mehr als nur Brötchen und Marmelade. Frisch geschnippelter Obstsalat, und für die, die es lieber deftig mögen, stehen Weißwürste bereit.
Mit dem neuen Bus und seinem Fahrer Tommy kann Sommerfeldt jetzt auch das optimieren, was ihm am Herzen liegt: behinderte Menschen zum Café transportieren und sie dort Teilhabe erleben lassen, aber auch mal Möbelstücke transportieren. Gleich morgen wird eine gespendete, fast neuwertige Küche abgebaut und in der Wohnung eines Café-Besuchers wieder aufgebaut. „Das machen die Jungs“, sagt Sommerfeldt, und seine Augen strahlen, während er sich entschuldigt und die Gitarre auspackt. „Wir haben jetzt Bibelstunde. Einige warten schon darauf.“ Das Lied „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“, die Jahreslosung der evangelischen Kirche, singen viele mit. Sommerfeldt lebt das, was er tut. Und unzählige vertrauen ihm und vertrauen sich ihm an.